Dennoch war es eine Zeitreise. Es ist schon irre, wie sehr sich West- und Ost-Deutschland auch nach 16 Jahren der Wiedervereinigung immer noch voneinander unterscheiden. Das kleine Doerfchen Badersleben, in dem wir unseren Kurzurlaub verbrachten, liegt etwa eine Stunde Busfahrt von der naechsten (Klein-)Stadt Halberstadt entfernt und ist so anders, als die Doerfer, die ich im sogenannten "Westen" kenne. Wir waren so richtig auf dem Dorf, alter Hausbestand, wo man hinsah, Fachwerk an beinahe jeder Ecke. Nur manchmal auch in sich eingefallen, ohne Dach oder einfach nur verlassen. Keine Kneipen, die mit Leben und Stimmengewirr erfuellt sind, kein Eis-Café, in dem man sich am Nachmittag trifft. Nada. Nix. Niente. Nur ein Pennymarkt, in dem es weder Seranoschinken, noch Balsamico-Essig gibt. Wozu auch. Bloss nix "Modernes". Hier schien es mir manchmal, als waere die Zeit stehen geblieben.
Auf einem Erkundungsspaziergang durch das Dorf war ausser uns kein Mensch zu sehen. Die Menschen haben offensichtlich keinen Cent uebrig fuer einen Kneipenbesuch. "Das kann sich hier schon lange niemand mehr leisten." erklaerte mir Ullis Vater Erwin. "Das war frueher anders". Und so schlecht wars wohl dann gar nicht, wenn man Erwin zuhoert. "Aber was ist denn mit der Freiheit, dem Reisen, der eigenen Entscheidung hinzugehen, wo man hinmoechte?" fragte ich. "Ach das ist doch alles Quatsch." so seine Antwort. "Heute sind doch alle Hartz IV-Empfaenger, und so kann doch heutzutage auch keiner mehr reisen wohin er will!"
Trauriger Nachtrag Am Tag der Abreise standen vor uns am Bahnschalter zwei Kahlrasierte mit derben Stiefeln. Die machten mir schon Angst. Von den Umstehenden wurden sie kaum wahr genommen. Ich weiss nicht, was los waere, wueden sich diese Gestalten ins Schanzenviertel wagen. Ich hoffe die Hoelle. Nein, ich weiss es. Geliebte Grossstadt Hamburg!
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